1993 Senden, Grafikpreis 1995 Kronach, Lucas-Cranach-Förderpreis; Augsburg, Kunstförderpreis der Stadt Augsburg 1996 Marktoberdorf, Förderpreis für Junge Künstler; München, Böhmlerpreis München, Erasmus Stipendium 1997 Münster, Stipendium der Aldegrever-Gesellschaft für die Druckwerkstatt Kätelhön 1998 München, Karl-Rössing Reisestipendium der Bayrischen Akademie der Schönen Künste 1999 Magnus-Remy-Preis, Irsee 2000 Bobingen, 1. Preis Kunstverein; München, Atelierstipendium des Bayrische Ministeriums für Forschung, Wissenschaft und Kultur 2001 Sydney, School of Arts, Artist in Residence 2004 Sydney, School of Arts, Artist in Residence 2014 Stadt Stadtbergen, Kunstpreis, Publikumspreis 2015 nominiert für den Pulse Miami Beach Prize 2016 Roy 2016, Augsburger Pop Preis in der Sparte Künstler des Jahres
DR. ERICH SCHNEIDER ÜBER DIE ARBEITEN VON CHRISTOFER KOCHS
Kein Zweifel: Christofer Kochs belohnt in seinem Atelier den fleißigen Betrachter. Allenthalben sind dort Skulpturen und Figuren in vielerlei Gestalt versammelt, hängen Objekte an den Wänden oder liegen Arbeiten auf dem Boden, von dicken Papierstößen mit Zeichnungen ganz zu schweigen. Viele Werke sind längst vollendet, manche sogar eben von einer Ausstellung zurückgekehrt und andere noch mitten im Entstehen. Die alltägliche, unaufgeräumte Arbeitsatmosphäre ist jedoch nicht das Besondere, wichtig ist der davon ausgehende Zwang zum genauen Hinschauen. Dann erst schälen sich die einzelnen Objekte aus der Versammlung heraus und werden in einer vertiefteren Stufe der Auseinandersetzung aus den Skulpturenkörpern unversehens Ober-Flächen mit sorgfältig gestalteten grafischen Strukturen und vice versa. Die Grenzen zwischen Skulptur und Tafelbild, zwischen Fassung und Zeichnung sind aufgehoben.
Mit der eigenen Wortschöpfung "Raumzeichnungen" versucht Kochs solchen Arbeiten einen Familiennamen zu geben. Vielfach greifen Teile der Skulpturen selbst in den umgebenden Raum hinein oder verschaffen sich auf diese Weise Raum. Manche Figuren öffnen sich jedoch auch nach innen und erlauben gewissermaßen einen Blick unter die Haut. Damit ist jedoch nur eine mögliche Deutung der Raumzeichnung im Sinne von Kochs umschrieben, denn seine naturgemäß räumlich angelegten Skulpturen sind ja auch noch Träger von Zeichnung im engeren Sinn. Davon später mehr.
In ganzen Serien kreist er in solchen Arbeiten um das jeweilige Thema, setzt immer wieder neu an, sucht immer wieder einen neuen Einstieg und nähert sich auf diese Weise unermüdlich in der Summe seiner Werke der gewählten Aufgabenstellung. Vielfach handelt es sich um überlängte, auf dem Boden stehende Figuren oder Wandobjekte, die er mit der Kettensäge aus dem Holz mehr herausgefräst als geschnitten hat. Hier glaubt man sich beim Hinsehen an frühgeschichtliche Idole zu erinnern, dort an den Torso eines Kruzifixus oder auch an die Hermen der klassischen Antike.
Tatsächlich meint das prüfend vergleichende Auge irgendwann so etwas wie eine "Ordnung" innerhalb des willkürlich versammelten Ensembles im Atelier zu erkennen: Obwohl wie alle von gestreckter Proportionierung findet es Figuren, die vollständig mit Kopf und Extremitäten ausgestattet sind. Davon unterscheiden sich solche, die zwar einen Kopf aufweisen, deren Körper darunter aber wenig differenziert ist. Dennoch genügt beispielsweise gerade ein solcher, nur ein wenig zur Seite geneigte Kopf, um beim Betrachter Assoziationen wie Lauschen oder Aufmerksamkeit oder ganz einfach Zuwendung auszulösen.
Mit solchen Bildern unseres kollektiven Gedächtnisses scheint Kochs gerne zu spielen und zeigt im nächsten Augenblick, dass er sich von dieser Art von Ikonographie längst völlig frei gemacht hat. Denn das, was von vorne so eindeutig und gewissermaßen bekannt aussah, löst sich beim Blick von der Seite her auf und wird unvermittelt zu durchbrochenem Flechtwerk wie bei den Luftwurzeln eines Baumes. Hier verknoten sich einzelne Stränge und dort öffnen sich Blicke durch die Figur hindurch.
Seine Bildwerke gehorchen nicht mehr unserer tradierten Vorstellung von der Rundumansichtigkeit einer am Menschenbild alleine orientierten Skulptur: Vorne und hinten, die Seiten sowie oben und unten hatten einmal, wie man sich ausdrückt, "Hand und Fuß". Bei Kochs Skulpturen kann man eben nicht mehr von der Vorderansicht auf die Rückseite schließen und doch fügt sich erst die Summe aller Ansichtsmöglichkeiten einer solchen Skulptur zu einem schlüssigen Ganzen.
Oben und unten sind ebenfalls aufgehoben: Aus einem auf der Seite liegenden Kopf wächst ein gestreckter Körper, dem "oben" noch eine weitere Skulptur aufgesetzt ist. In der Art kindlicher Kopffüßler stzt bei eine anderen Figur der Kopf unvermittels oberhalb von drei Beinen. Unermüdlich und stets auf überraschende Weise dekliniert Christofer Kochs die von ihm erweiterten Möglichkeiten der Figurenbildung auf seine Weise durch. Alles ist erlaubt, was neue formale Ansichten und Einsichten hervorruft.
Christofer Kochs Werkzeug ist die Kettensäge. Je nach Bedarf setzt er große schwere oder kleinere handlichere Geräte ein. Das ist zunächst nicht eigentlich bemerkenswert, denn mit der Kettensäge arbeiten inzwischen viele. Meist haften den mit diesem Handwerkszeug geschaffenen Werken dann Attribute wie "expressiv" oder "art brut" und dergleichen an. In der Regel grobschlächtiges Formenvokabular und sägeraue Oberflächen sind die wesentlichen Merkmale solchen Arbeitens. Für Kochs aber ist die Kettensäge gleichermaßen zum Stechbeitel des Holzbildhauers und zum Stift des Zeichners geworden. Seine Figuren sind monumental und filigran zugleich und er weiß mit der Kettensäge feinste Zeichnungen in die Oberflächen seiner Skulpturen zu ziselieren.
Als Bildhauer arbeitet Kochs mit Holz, das für Ihn durchaus sinnliche Qualitäten aufweist: Eiche riecht eben anders als Fichte oder Kiefer. Manches Material lässt sich feiner formen als anderes usw. Trotzdem legt er irgendwann einmal die Kettensäge beiseite und überarbeitet die Oberfläche seiner Skulpturen mit Farbe. Das Material Holz wird auf diese Weise zurückgedrängt und die Skulptur wird zum Bildträger. Hier werden die Tiefen mit Farbe getränkt und dort legt er einen farbiger Schleier über die Höhen.
Bald entsteht inmitten der Haptik der mit der Säge geformten Oberfläche eine zweite farbige Ebene, die ihrerseits Höhen und Tiefen aufweist. Man kann dabei nicht eigentlich von farbiger Fassung sprechen, denn diese würde ja die Feinstruktur der Holzoberfläche überdecken. Vielleicht trifft es der Vergleich mit den Muskeln und Sehnen des menschlichen Körpers besser, der unter dem durchbluteten Teint der Epidermis in jeder Haltung ebenfalls ablesbar bleibt.
Bei dieser Freude am Spiel mit der Erscheinung der Oberfläche - nicht mit Oberflächlichem - ist es nur konsequent, wenn Kochs immer wieder auch zur Fläche zurückkehrt. Man erinnert sich, dass der Bildhauer einmal von der Zeichnung herkam. Diese Erfahrungen weiß er mit der Arbeit im und mit dem Holz zu verbinden und schafft sich Malgründe aus parkettartig aneinandergefügten Holzbrettchen, die er mit einem farbigen Grund überzieht. In diese von den Zufälligkeiten des Holzes strukturierte und allenfalls grob überformte Oberfläche zeichnet er wieder mit der Kettensäge seine Figurenwelt hinein.
Kochs Figuren sind von großer Einfachheit. Offensichtlich rasch und mit großer Sicherheit auf das Holz wie früher schon aufs Papier geworfen, lassen sie noch etwas von der heilen Welt der Kinder-Malbücher erahnen, deren Umrissfiguren den Künstler früher angeregt haben. In der vermeintlich kindlichen Naivität des Ausdrucks steckt zugleich die ungebändigte Kraft einer Archaik, die uns in mancher Zeichnung der Höhlenmalerei noch über Tausende von Jahren hinweg schaudern machen lässt.
Aber mit einer vereinfachenden Vorstellung von "gegenständlicher" Kunst alleine ist das Werk dieses Künstlers nicht zu fassen. Scheinbar mühelos bedient er sich bei Bedarf der Erfahrungen der informellen Kunst. Er lässt in manchen seiner tachistischen Mischtechniken den Betrachter zunächst völlig vergessen, dass die in bestimmter Weise angeordneten farbigen Flecken sich auch zu einem "gegenständlichen Muster" ordnen lassen.
Christofer Kochs charakterisiert sein gegenwärtiges Schaffen gerne mit dem Wortbild "Relative Nähe". Das assoziiert für mich einerseits das Wissen um die Gefahr des Scheiterns: Ein Künstler des 21. Jahrhunderts weiß, dass er seinen Gegenstand niemals absolut erfassen kann, sondern ihm nur relativ nahe kommen kann. Andererseits enthält die Formulierung in der Offenheit ihrer sprachlichen Bedeutung auch den Anspruch des Künstlers "relativ nah", also im Verhältnis zu den Möglichkeiten "sehr nah" an seinen Gegenstand, an seine Aufgabenstellung, heranzukommen.
"Relative Nähe", das kann eine, in einem bestimmten Spannungsverhältnis auf die Fläche gesetzte, Umrissfigur einer Frau oder eines Mannes sein. Gelegentlich sind die Haare näher ausgeführt, manchmal ist ein Detail des Gewandes präzisiert, in einigen Fällen ist der Hintergrund eher hell angelegt und in anderen erscheint er dunkel und die Figur ist wie ein Schattenriss davor gesetzt. Stets aber scheint Kochs eine allzu genaue Schilderung seines Gegenstandes vermeiden zu wollen, fast als spürte er eine gewisse Scheu vor zu großer Nähe.
Die Balance zwischen dem, was der Künstler an Präzisierung vorträgt und dem was der Betrachter aus solchen Bildelementen in seiner eigenen Wahrnehmung werden lässt, erscheint mir persönlich in Kochs' Zeichnungen besonders gut ausponderiert. Zeichnungen mit ihrer vielfach skizzenhaften Erscheinung haben ja bekanntlich die Eigenschaft, dass der Betrachter sie für sich gewissermaßen "zu Ende malt". Da genügen dann die Abkürzung eines in bestimmter Weise auf das Papier gesetzten Kopfes mit Schulter, einige Angaben zur Physiognomie und eine durch wenige impressionistisch anmutende farbige Flecken erzeugte Stimmung um in uns, bei jedem auf eigene Weise, eine bestimmte Aussage des Bildes zu evozieren.
Wie gesagt, augenscheinlich mit der Kettensäge oder einem anderen "groben" Werkzeug mit schnellen Hieben aus dem Stamm gefressene Torsi offenbaren ihre menschliche Natur erst auf den zweiten Blick. Genau wie in der Malerei oder wie in den Zeichnungen kürzt Kochs radikal ab. Vielfach hat man den Eindruck, dass er es dem Betrachter überlässt, ob er in der einen oder anderen Form so etwas wie einen Arm oder aber die Andeutung der Umrisslinie eines Körpers sehen möchte.
Die Skulpturen dieses Künstlers sind genauso offen, wie dessen Zeichnungen. Genauso wie die Figur in der Zeichnung den Untergrund des Papiers als Halt im doppelten Wortsinn benötigt, genauso benötigen Kochs' Skulpturen den Hintergrund als Aktionsraum zur vollen Entfaltung. Fast bin ich versucht zu sagen, seine Skulpturen "reagieren" geradezu auf die unterschiedlichen Befindlichkeiten dieses Hintergrundes. Skulptur und Zeichnung bzw. Malerei verlieren dabei ihre Grenzen im Raum und erweisen sich mit seltener Konsequenz als aus einer künstlerischen Idee gespeist.