“Farbe, Licht, Raum, Struktur. Einige Bemerkungen zur malerischen Intensität Isa Dahls“
Christoph Bauer, Kunstmuseum Singen aus dem Katalog: Isa Dahl. Karl-Schmidt-Rottluff-Stipendium 2000
Isa Dahl baut ihre Bilder aus unzähligen Farbschichten auf. Schlieren, Wischer, Einschlüsse, die Spur des Pinsels , der bewegte, schnelle Duktus - all dies sind wesentliche Elemente der Bildgestaltung; rücken den Malprozess in den Mittelpunkt der künstlerischen Intention und auch der Seherfahrung des Betrachter.
Die Farbe ist für Isa Dahl nicht einfach deren farbliche Erscheinung.
Es interessiert sie gleichwertig ihre Materialität, Konsistenz, Dichte, Oberfläche, Räumlichkeit, Bewegung und Lichtfülle, aber auch deren Verhältnis zur Textur des Bildträgers, die simultane Vielfalt oder die sinnliche Wirkung der Farben, d.h. die Arbeit mit und das Erlebnis der Farbe sind das Primäre.
Eine mehrfach strukturierte entstofflichte Bildräumlichkeit entsteht, aus deren Tiefe ein geheimnisvolles, farbiges Leuchtlicht geheimnisvoll aufscheint. Der Blick wird in das Bild hineingezogen und ruht doch immer wieder auf der Oberfläche der letzten glänzenden Malschicht. Es ist dieses geheimnisvolle Leuchtlicht, das Isa Dahls Gemälden eine eigentümliche, verweisende Intensität verleiht. Es entstehen Werke, die Stille einfangen, die Stille speichern und diese Stille wieder ausströmen.
Die Polivalenz dieser Bilder zwischen Erinnerung und malerischer Auflösung, zwischen Erscheinung und Orozess, zwischen Farblicht und Oberfläche, Raumtiefe und Struktur, zwischen „reiner Malerei“ und Transzendenz ist es, die ihnen zugleich Eigenständigkeit wie Zeitbezug verleiht.
© Dr. Sabine Heilig, Nördlingen, im Mai 2012
Als sie vor 17 Jahren in Florenz anlässlich des Villa Romana-Preises großformatige Ölbilder malt, legt sie bereits den Grundstein für das nachfolgende Werk. Ihre Motive bewegen sich zwischen organischer Struktur und Konstruktion, zwischen Natur und Architektur, und wirken dabei gegenständlich und abstrakt zugleich.
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Auf meine Frage hin, ob ihr Schaffen Ausdruck unserer Zeit sei, antwortet Isa Dahl mit der Feststellung, dass ihre Bilder absolut zeitgemäß seien. Sie ziele jedoch nicht direkt auf das Zeitgeschehen ab, sondern für sie seien grundsätzliche Fragen wie die Notwendigkeit weiterer Beschleunigung in unserer Zeit und Aspekte der Konzentration im immer schneller werdenden Tempo unseres Daseins von Bedeutung.
Es geht in ihrer Malerei also um einen anderen Ansatz, zum Beispiel um die Frage: „Wie funktioniert die menschliche Wahrnehmung?“ „Ohne Langsamkeit gibt es keine Wahrnehmung der Schnelligkeit. Ohne Stille keine Wahrnehmung des Lärms“, sagt Isa Dahl und fügt hinzu: „Weiterentwicklung erreicht man nur durch genaue Wahrnehmung und Schärfung der Sinne“.
Dieses Hineinhorchen, genaue Hinsehen, das Nachdenken über die Wirklichkeit und ihre Erscheinungen, lässt sie auch Dinge sehen, die zunächst verborgen, die nicht unbedingt schön, bedeutend oder großartig sind. Es ist sozusagen der Blick hinter die Kulissen, und der Wunsch, dies mit den Mitteln der Malerei mitzuteilen. Dies reflektiert die Künstlerin in ihren Bildtitel, allesamt in Serien zusammengefasst, die teilweise über Jahre weiterverfolgt werden. Sie heißen z. B. „NachtRäume“, „zwischen und“, „eben still“, „Augenblicke lang“, „in Sicht“, „sidebyside“, „nur so“ oder „wanderung“. Das Knappe, etwas Lapidare dieser Titel verdeutlicht, dass es ihr nicht darum geht, damit gegenständliche Assoziationen zu vermitteln, sondern in erster Linie und ganz und gar um das Malen selbst.
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„Farbe“, sagt Isa Dahl, „ist für mich die Möglichkeit zu malen und ich liebe sie“. An ihr schätzt sie vor allem auch ihre Lebendigkeit, ihre Geschmeidigkeit, die Leuchtkraft, ihre so unterschiedlichen Valeurs, ihre Wesenhaftigkeit.
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„Ihre Bilder betrachtet man nicht, man wird von ihnen aufgenommen“, heißt es in der Vorankündigung zu einer Ausstellung der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen, die im Herbst diesen Jahres stattfinden wird.
Das ist treffend gesagt und kann für alle Werkgruppen der Malerin gelten. Je größer die Formate, umso eindringlicher diese Wirkung. Dieses direkte, unvermittelte Gegenüber hilft bei der Betrachtung. „Es geht um Zeiten des Nachdenkens, um die Frage von Konzentration. Um die Frage des Innehaltens“, hat mir Isa Dahl geschrieben. Mehr als Augenblicke – lang verweilen wir vor diesen Bildern, spüren die Bewegungsbahnen in ihnen nach, suchen nach dem Anfang und dem Ende, verstricken uns im Gewirr der malerischen Gesten. Unwillkürlich erweitern wir den Bildraum über seine eigentlichen Grenzen hinaus, lassen unseren Blick treiben, spinnen die Fäden weiter, eröffnen uns neue, bisher ungesehene Räume.
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Überraschend für den Betrachter sind die Bildrealitäten, die sich mit der außerbildlichen Realität verbinden. Ihre perfekte Virtualität wirkt suggestiv, man kann sich ihnen, wie gesagt, nicht entziehen. Warum dies so ist, erklärt Isa Dahl selbst: Malerei ist die „Erschaffung eines gelungenen Ortes, der gar nicht mit einer direkten Zeitlichkeit verbunden ist, und der da entsteht, wo immer das Bild ist“. Damit ist die Überzeitlichkeit des Bildes gemeint und seine Funktion als emotionaler Sehnsuchtsort.