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Thomas Kahl

Dioramen - Thomas Kahl

Mischtechnik auf Leinwand - Thomas Kahl

"Das Mutterschiff bringt uns nach Haus" - Thomas Kahl

Thomas Kahl
Biografie

  • 1963 geboren in Zittau 
  • 1980 Übersiedlung nach Ulm
  • 1985 Gründung der Künstlergruppe "Die phantastischen Vier"
  • 1986 Gründung der Galerie "Negativzone" für eine Werkschau der "phantastischen Vier"
  • 1992 Gründung der "Künstlergruppe Kradhalle" 
  • 2017 stirbt Thomas Kahl in Ulm 

Ausstellungen

  • 1989 "Metzgerei" Mobile Künstler Ulm
  • 1990 Symposium, Mlada Boleslav; "Die phantastischen Vier", Künstlerhaus Ulm; "5 Jahre Phantastische Vier" Violet, Neu-Ulm
  • 1991 "Raum 9, Hallmackenreuther", Köln; "Die phantastischen Vier" Galerie Holm, Ulm
  • 1992 "Alte Autoschmiede", Köln; "500" Pief-Antik, Köln; "Kradhalle", Ulm
  • 1993 "Kradhalle", Ulm; "Fremdenzimmer II" Polling
  • 1994 "Brote" Galerie Holm, Ulm; Art Frankfurt, Galerie Holm; Art Basel, Galerie Holm; Studio D´arte Cannaviello, Mailand; Deutsches Brotmuseum, Ulm; Galerie Wirth, Zürich; Ulmer Kunst ´94, Ulmer Museum; "Kunst 94" Kunstmesse Zürich; "Kradhalle" Kunstraum, Ulm
  • 1995 Kunstverein Ulm;
  • 1996 "Besucher aus dem All" Galerie Michael Schultz, Berlin; "zurück in Ulm" Kunstverein Ulm; "Auf Augenhöhe" Galerie Wirth, Zürich; "Love me" Galerie und Edition ge, Winterthur; ART Frankfurt; Galerie Paul Hafner, St. Gallen; Mariposa, Teneriffa; Art Cologne
  • 1997 Galerie F, Bad Nauheim; Galerie Michael Schultz, Dresden; Ulmer Kunst ´97, Ulmer Museum; Galerie Vayhinger, Radolfzell; ART Frankfurt; Galerie Holm, Ulm; Kunst 97, Kunstmesse Zürich; "Witness" Symposium Ulm; Galerie Michael Schultz, Berlin; Art Cologne
  • 1998 Galerie Michael Schultz, Berlin; Hospitalhof, Stuttgart; Kunstmesse Nizza
  • 1999 "Die grosse Kumpanei" Galerie F, Bad Nauheim; ART Frankfurt; Galerie Holm, Ulm; Galerie Wirth, Zürich; Kunst 99, Kunstmesse Zürich
  • 2000 "Castello" Porto Valtravaglia; Südwestmetall, Ulm; Galerie F, Bad Nauheim; KUNSTMARKT, Dresden; "Ulmer Kunst´2000, Ulmer Museum; Kunst am Bau, Deutschhaus Ulm
  • 2001 Galerie F, Bad Nauheim; Galerie Holm+Wirth, Zürich; Kunst Köln 2001; "Per corsi... Diversi", Luino; Kradhalle, Ulm; "Pilze im Café" Museumscafé
  • 2002 3. Festival of plastic arts, Bagdad; "Stay impfrei" etappe 1", Raum "Küper" Köln; "Willkommen" Galerie Holm, Ulm; "Neue Arbeiten" Pro arte Kunststiftung, Ulm
  • 2003 "Bilder gegen den Krieg" Galerie Tobias Schrade, Ulm; "Malaktion" Olga, Galerie Tobias Schrade; "Unter anderem auch zwei Käfer" Galerie F, Bad Nauheim; "Zwischen Gestern und Heute" Museum für bildende Kunst im Landkreis Neu-Ulm; Galerie im Griesbad, Ulm; Galeria-Bank center, Budapest; Kulturhaus Abadszalok, Ungarn; Poterne 8, Neu-Ulm; Ulmer Kunst`2003, trienale, Ulmer Museum; "Tiere" VH Ulm
  • 2004 Galerie Rakel, Krumbach; Galerie Holm, Ulm; Galerie Tobias Schrade, Ulm
  • 2005 Pro arte Kunststiftung, Ulm
  • 2006 Kradhalle, Ulm
  • 2007 Galerie Neurotitan, Berlin; Kunstdingertage Pertolzhofen; "una donna mille volti", Galerie Tobias Schrade
  • 2008 Kunstdingertage Pertolzhofen; Galerie flying sauvage, Berlin; Galerie Tobias Schrade, Ulm
  • 2009 Kunstdingertage Pertolzhofen; Kradhalle, Ulm
  • 2010 "Botschaften vom Proconsul" Galerie im SciencePark, Ulm; "Die Grosse Kumpanei VI", Kunsthalle Pertolzhofen; Crackfestival 2010, Rom; "Sieben auf einen Streich" Ausstellung in der Kronen Apotheke, Ulm
  • 2011 Galerie Ewald Schrade, Schloß Mochental; "Girls don´t cry", Galerie Tobias Schrade, Ulm; "Zitate aus vier Jahrzehnten Galerie" Jubiläumsausstellung, Galerie Ewald Schrade, Schloß Mochental
  • 2012 Staatsgalerie Prenzlauer Berg, Berlin; "Geld", Trinkkuranlage, Kunstverein Bad Nauheim; 125 Jahre Kunstverein Ulm, Kunstverein Ulm; Punkt Punkt Komma Strich, Galerie Dorothea Schrade, Leutkirch/Diepoldshofen; "Apokahlypso" Galerie Tobias Schrade, Ulm
  • 2015 Roxy UlmMaterial Collagen (Ein Totentanz)
  • 2017 "Das Mutterschiff bringt uns nach Haus" Galerie Tobias Schrade, Ulm
  • 2018 "la felicitá é sempre dall´ altra riva- Das Glück ist immer am anderen Ufer" Retrospetive, Galerie Tobias Schrade, Ulm
 
Thomas Kahl

Sammlungen

Sammlung der Deutschen Bank, Ulmer Museum, Edwin Scharff Museum, Museum des Landkreises Neu Ulm, Sammlung Merkle, Sammlung Rentschler

Messen

Art Frankfurt, Art Cologne, Art Karlsruhe, Art Basel, Kunst Zürich

Der Archäologe des Proconsuls
- den Archetypen auf der Spur


JÜRGEN WIDMER ÜBER DIE ARBEITEN VON THOMAS KAHL

„We learned more from a three-minute-record, than we ever learned in school“. Bruce Springsteen hat diese Zeilen in „No Retreat, no Surrender“ gesungen. Für den eiligen Zuhörer oder den kühlen Kopfmenschen wird nach den drei Minuten eines Rock-Songs nicht viel bleiben. Oberflächlich betrachtet ergibt sich lediglich eine mehr oder weniger eingängige Kombination aus Musik und Text über scheinbar belanglose Themen. Doch wer hören und vor allem fühlen kann, der wird selbst noch in den zweiminütigen Punkperlen der Ramones komplette Welten entdecken können, aus den Gitarren-Riffs von „Smoke on the Water“ oder „Satisfaction“ gesammelte Jugenderinnerungen destillieren.

Thomas Kahls Malerei ist Rock’n’Roll. Nicht im Sinne einer grölenden Party-Kultur, sondern in seiner ursprünglichen Bedeutung. Kahls Gemälde sind wie Rock-Musik: bodenständig und gleichzeitig ein beständiges Aufbegehren. Dabei liegt das Rebellische gerade in der Alltäglichkeit der Motive: Tomaten, Zitronen, Pilze, Käfer und ja, auch Brote. Immer wieder Brote. Erst jetzt ist eine neue Serie entstanden, die aber in der Farbe deutlich strahlender ist als ihre Vorgänger. 

Doch diese Lebensmittel, Insekten und Pflanzen wirken plötzlich fremd und geheimnisvoll auf den Betrachter. Welche Wirkung hat dieser Pilz? Kann ich jenem Käfer trauen? Das wohlgeordnete Koordinatensystem des alltäglichen Sehens gerät durcheinander. In Kahls Malerei gibt es nur Vordergrund und Hintergrund. Das Motiv, das im Vordergrund oft zu schweben scheint, wirkt, als habe es keinen Halt in der Welt. Das macht es fremd, unberechenbar. Der Hintergrund lockt mit fast anheimelnder Gemütlichkeit. Das Karo als Sinnbild für das 

älteste Textilgewebe, dazu altvertraute Blümchen-Muster, die an Großmutters Stube erinnern. Manchmal malt und druckt er seine Werke direkt auf den Inbegriff von Häuslichkeit, das Geschirrtuch. Doch lässt sich diesem Hort wärmender Geborgenheit wirklich trauen? Kahls Malerei streut immer eine Spur des Zweifels in das scheinbar sicher Geglaubte.

Einen Maler des Oxymorons hat Kahls Künstlerkollege Ottmar Bergmann ihn einmal genannt. Ein Oxymoron ist eine rhetorische Figur, die scheinbar Gegensätzliches zusammenbringt. 

„Eile mit Weile“ ist ein Beispiel für ein Oxymoron, dass zudem auch zu Kahls Malerei passt. Wenn er arbeitet, dann fast fieberhaft, als müsste er die Idee schnell auf die Leinwand oder das Papier bringen, sie festhalten. Doch er ist auch ein verweilender Beobachter, der sich in der Betrachtung einzelner Gegenstände verlieren kann. So als wollte er ihnen mit den Augen ihre Geheimnisse abstreicheln und sie dann genau so zärtlich zu einem Bild werden lassen. Deshalb braucht seine Malerei auch nicht den großen Gestus oder den pastosen Farbauftrag, sie lebt von der Klarheit, deren konsequentester Ausdruck die piktogrammartigen Drucke auf Geschirrtüchern sind.

Mit seiner Art der Wahrnehmung wirkt Kahl wie ein später Nachfahre jener Expeditionszeichner, die Jahhunderte vor der Erfindung der Fotografie aufbrachen, um die phantastischen neuen Welten festzuhalten, zu konservieren. Dieses Festhalten und Konservieren betreibt auch der gebürtige Zittauer Kahl. Seine Installation aus Brotschneidemaschinen ist mehr als die dreidimensionale Antwort auf seine Brotbilder. Denn mit den Brotschneidemaschinen sammelt Kahl auch Geschichten. Wenn er während der Ausstellungen bei seinen Brotmaschinen steht, dann sprechen ihn die Menschen an. Die Alltäglichkeit des Gegenstandes schafft eine Atmosphäre der Vertrautheit und damit die Grundlage für Gespräche und Annäherung.

Wie ein Archäologe nimmt sich Kahl dieser Geschichten an, ihr Konzentrat wird dann auf die Leinwand übertragen. Während der Archäologe mit seinem Pinsel Schicht für Schicht abträgt, um letztendlich den Fund freizulegen, arbeitet Kahl eher entgegengesetzt. Er trägt Farbschicht um  Farbschicht mit dem Pinsel auf, bis sich sein Fund dann in einem Werk materialisiert. Durchaus als Schlüsselwerk lässt sich hier „x = unbekannter Forscher“ von 1993 lesen. Der skelettierte Schädel einer Comic-Figur, der an „Steamboat-Willie“, den Ahnen von Micky Maus erinnert, montiert über einem Spaten auf einer Platte, die Kahl aus dem längst abgerissenen Magirus-Werk hat. Eine Verbindung aus Fundstücken, die alle ihre Geschichte mitbringen und über die Möbius-Schleife ihren Platz in der Unendlichkeit beanspruchen.

Sein Proconsul übermittelt Botschaften aus den frühen Schichten der Menschheitsentwicklung. Er verlässt kurz seine Primatsphäre, um seinen Nachfahren den Kampf anzusagen. Nur wer sich an seine eigene Menschlichkeit erinnert, wird nicht von der Evolution verschüttet werden.

Nun ist Kahls Art, Motive zu wählen, keinesfalls eine neuzeitliche Marotte oder nur den Heroen der Pop-Art nachempfunden. Nein. Kahls Wurzeln reichen viel weiter zurück bis in die vielleicht deutscheste aller Kunst-epochen: die Romantik. Schon der Dichter Novalis (1772 – 1801) forderte: „Die Welt muss romantisiert werden.“ Was das heißen soll, erklärt Novalis so: „Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich.“ Eine Überhöhung, die sich Kahl in den ikonenhaft übersteigerten Darstellungen von Popsängerinnen zu eigen macht.

Es ist sicher kein Zufall, dass sich die Dichter der Romantik dem Lied besonders verbunden fühlten. Sie wussten um die Kraft der Lieder, wenn es um Überlieferung geht. Viele ihrer Gedichte hatten einen volksliedhaften Klang, wurden vertont und gehören heute zu den schönsten und bekanntesten Liedern deutscher Sprache. Der Rock’n’Roll ist so etwas wie das Volkslied der Gegenwart, er ist die Hymne der Gefühlsnomaden in einer globalisierten Welt. Sein Klang begleitet sie auf der Suche nach einem Ort, den sie Heimat nennen können: Ein Ort, der durchaus auch im eigenen Inneren liegen kann. Thomas Kahls Bilder sind Momentaufnahmen von diesem Ort im Inneren: oft heimatlich vertraut, aber auch voller Abenteuer und ungelebter Träume. 

Eben wie Rock’n‘Roll.

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Die stillebenhafte Darstellung von Lebensmitteln 
(Tiere, Früchte, usw) war seit hellenistischer Zeit beliebt ("Xenion") und bezog sich wohl ursprünglich auf Weihgeschenke. Beispiele sind unter anderem aus Pompeji erhalten. Berühmt waren die Blumenstilleben des Pausias (4. Jh.v.u.Z.)."

Dr. Gerald Heres

aus Lexikon der Antike. 9. neubearbeitete Auflage
Leipzig: bibliografisches Institut, 1987