Xianwei Zhu
Ein Boot ohne Leine
Ihr fragt, wo findet sich der Wolken-Pfad?
Der Wolken-Pfad, dort mitten in der Leere!
Hanshan, 9. Jhd.
In der Leere sitzt Hanshan (übers. kalter Berg), ein Dichter-Einsiedler der im 9. Jahrhundert im Tiantai-Gebirge im Süden Chinas lebte.
Er bewohnte dort eine Höhle, durchwanderte unermüdlich die Landschaft und hinterliess seine Gedichte auf Felswänden, Steinen oder Bäumen.
Obwohl er ein großer Meister der Dichtkunst war, gelten seine Gedichte in der chinesischen Literaturgeschichte als künstlerisch unbedeutend. Große Bekanntheit erlangten sie in Japan unter Anhängern des Zen-Buddhismus sowie in den 60er Jahren in den USA. Seine schlichten und geheimnisvollen Gedichte und sein Lebensstil, des frei von Pflichten lebenden Vagabunden, der über alles und jeden lacht, inspirierten die Schriftsteller der Beat-Generation, wie Allen Ginsberg und Jack Kerouac.
Ich begegnete den Gedichten Hanshans vor zwei Jahren, sie faszinierten mich sehr und ich beschloss zu dem Berg zu reisen um seinem Leben und seinen Gedichte näher zu sein. Han Shans Essenz sehe ich beispielsweise auch in der westlichen Landschaftsmalerei der Romantik.
Es geht mir um einen Dialog zwischen chinesischer und westlicher Landschaftsmalerei. Dabei faszinieren mich etwa die unterschiedlichen Perspektivvorstellungen. Die wandernden und multiplen Perspektiven der traditionellen chinesischen Landschaftsmalerei empfinde ich durch ihre Beweglichkeit und Komplexität als besonders geeignet für die gegenwärtige Landschaftsmalerei. Ebenso begeistert mich die facettenreiche Darstellung der Wahrnehmung und Verbindung subjektiver und objektiver Wirklichkeit.
In unserer heutigen Zeit scheint die Verbindung zwischen den Menschen durch facebook, Smartphones und Internet so nah und intensiv wie nie zuvor…aber sind wir uns, und vor allem uns selbst, wirklich näher? Und was fördert diese Nähe, facebook oder der kalte Berg? Oder vielleicht faceberg? Das frage ich mich…
Die Leute fragen nach dem Hanshan-Weg
Hanshan? Kein Pfad führt euch dorthin
Hier schmilzt das Eis auch spät im Sommer nicht
Im Nebel steigt die Sonne blass wie der Mond
Und ich, wie ist es mir gelungen?
Mein Sinn ist nicht dem euren gleich
Wenn euer Sinn wie meiner wäre
Dann führte er auch euch hierher